Die Bibliothek Werner Oechslin situiert sich als 'Forschungsbibliothek' und erkennt ihre besondere Aufgabe darin, ihre Bestände über konventionelle Katalogisierung hinaus durch gezielte, forschende Tätigkeit zu erschliessen und sie somit zusammen mit diesen Erkenntnissen und Einsichten dem Nutzer zur Verfügung zu stellen. Naturgemäss verbindet diese Forschung das spezifische Wissen des Bibliothekars und Bibliologen mit den einschlägigen Erfahrungen und Kompetenzen von Geisteswissenschaftlern verschiedener Ausrichtung und Disziplinen. Den eigenen Projekten und Schwerpunkten ist gemeinsam, dass sie von dieser besonderen Nähe zum Buch und zur 'Quelle' profitieren wollen. Schwerpunkte ergeben sich dabei naturgemäss aus den besonders gewichtigen Teilbeständen der Bibliothek. Angebote – wie insbesondere der jährliche Barocksommerkurs und das architekturtheoretische Kolloquium – folgen dieser Akzentsetzung mit Gewinn.
Die systematische Aufarbeitung der architekturtheoretischen Quellenschriften zieht sich wie ein roter Faden durch unsere Tätigkeiten. Deren Erschliessung und Katalogisierung bilden den Sockel für einzeluntersuchungen, die sich auf Teilbereiche wie auf besondere Fragestellungen architektonischer Theoriebildung beziehen, wozu die Beschäftigung mit Modell und Zeichnung, mit dem Bild-Text-Zusammenhang, die Begriffsgeschichte wie die Entwurfsstrategie gehören.
Nach der Publikation des ersten Bandes (2018) des Zensus architekturtheoretischer Schriften im deutschsprachigen Kulturraum 1486–1648 ist ein Folgeband für den Zeitraum 1650–1750 weiterhin geplant, der im Zeichen der Herausbildung einer dominierenden Zivilarchitektur steht. Dazu parallel ist ein umfassendes Projekt in Bearbeitung, das bei der Hausväterliteratur ansetzt und die nachfolgende, von der traditionellen Kunstgeschichte eher vernachlässigte Landbaukunst in Deutschland zum Gegenstand hat.
Das Projekt WERKBUNDZEIT, das sich im Kontrast zu der üblichen, linear entwickelten Erfolgsgeschichte des Deutschen Werkbunds auf die Widersprüche und Zerissenheit der Gründerzeit bezieht, ist abgeschlossen und wird demnächst in den wichtigsten Teilen in Buchform erscheinen.
Der Begriff 'Barock' – vormals für Gesetzlosigkeit geschmäht und dann ins Positive gewendet – hat gerade auch in modernen Zeiten den Vorwurf des Geschmacklosen und Verunklärten nie ganz ablegen können. Der Genus Loci Einsiedeln verpflichtet uns gleichsam zur Barockforschung. 2003 ist als 100. Band der Kunstdenkmäler der Schweiz die Publikation über das Kloster Einsiedeln erschienen. Seit Anbeginn haben wir zugunsten einer Öffnung der Barockforschung, die ja, durch die jährlichen Barocksommerkurse gestützt, stets weitergeführt wird, den Barockbegriff mit der Vorsgellung von 'Komplexität' zusammengeführt. Und zudem haben wir an die moderne Sehnsucht (etwa bei Karl Ernst Osthaus) nach der umfassenden, ganzheitlichen Vorstellung des Barocks erinnert. Gerade in diesem Fall ist die doppelte Bedeutung einer Zeit und 'Epoche' äusserster Vielfalt künstlerischer wie wissenschaftlicher Leistung von durchaus aktueller Bedeutung. Es entspricht unserem Interesse am Einzelnen wie am Ganzen und deren mannigfaltiger Verbindung.
Architekturtheorie und Barock sind Orientierungspunkt in einer grundsätzlich offen konzipierten Wissenschaftslandschaft, der Zufall und Überraschung genauso wie das Ordnungshafte und Systematische angelegen sind.